Porta Westfalica. Forschungsprojekt der Gesellschaft zur Förderung der Bodendenkmalpflege im Kreis Minden-Lübbecke e.V. führt zur Entdeckung einer römischen Goldmünze aus der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts in Porta Westfalica.
Die Münze wiegt 4,41 Gramm und hat einen Durchmesser von 22 Millimetern. Sie erscheint, trotz der langen Lagerung im Ackerboden, prägefrisch und ist in einem besonders guten Zustand. Geprägt wurde die Münze unter dem oströmischen Kaiser Constantius II. (337-361 n. Chr.) in der zweiten Hälfte des 4. Jahrhunderts (zwischen 355 bis 361 n. Chr.) in Aquileia. Die Stadt Aquileia liegt etwa zehn Kilometer von der Lagune von Grado am Golf von Triest entfernt.
Auf der Vorderseite der Münze, einem sogenannten Solidus, ist das Porträt Constantius II. abgebildet, zusammen mit der Umschrift FL IVL CONSTAN – TIVS PERP AVG, also: Flavius Iulius Constantius Perpetuus Augustus, seinem vollständigen römischen Namen als Augustus. Das Bildnis auf der Münze zeigt Constantius mit einem Perlendiadem, einem Paludamentum (römischer Feldherren- und Soldatenmantel) über dem Brustpanzer, einer Scheibenfibel an der rechten Seite der Schulter und dem Blick nach rechts. Constantius II. war ein Sohn Konstantins des Großen und nach dessen Tod ab 337 Kaiser im Osten des Römischen Reiches. Seit 353 war er nach dem Tod seiner Brüder und der gewaltsamen Beseitigung eines Usurpators (eine Person, die widerrechtlich die Gewalt im Staat an sich reißt), der einzige Augustus im gesamten Römischen Reich bis zu seinem Tode im Jahre 361.
Die Rückseite zeigt, neben der Umschrift GLORIA REI – PVBLICAE (Ruhm des Staates), die thronenden Roma mit einem Speer in ihrer linken Hand (nach rechts gewandt) und Constantinopolis mit Zepter in der linken Hand (nach links gewandt und mit den Füßen auf einer Prora: Schiffsbug). Zwischen den beiden befindet sich ein Rundschild mit der Aufschrift VOT / XXXV / MVLT / XXXX, der von ihnen jeweils mit der rechten Hand gehalten wird. Unter den Thronenden befindet sich im Abschnitt der Hinweis auf die Prägestätte SMAQ (Sacra Moneta Aquileia, also: heilige, d.h. kaiserliche Münzstätte Aquileia). Roma und Constantinopolis sind die Stadtpersonifikationen der Städte Rom und Konstantinopel.
Die Münze ist von Daniel Bake gefunden worden. Er hat zusammen mit Willi Köster, ausgestattet mit einer Genehmigung von der Oberen Denkmalbehörde des Kreises Minden-Lübbecke und des Grundstückeigentümers, eine Ackerfläche am Rande von Costedt untersucht. Insgesamt haben die beiden Feldbegeher vier weitere römische Münzen entdeckt. Es handelt sich dabei um drei Denare (Silbermünzen) und einen Sesterz (Kupfer- oder Bronzemünze), die allerdings in das 2. Jahrhundert nach Christus datieren und somit nicht im Kontext mit der Goldmünze stehen.
Die Begehungen sind Teil eines Forschungsprojektes des Vereins zur Erkundung der ur- und frühgeschichtlichen Besiedlung von Porta Westfalica-Costedt. Seit 2018 interessiert sich der Verein für das Gebiet rund um die jetzt neu entdeckte Fundstelle. Dafür ausschlaggebend ist das 1989 erschlossene Gräberfeld der jüngeren Römischen Kaiserzeit in Costedt und die Lokalisierung der zum Bestattungsplatz gehörenden Besiedlung gewesen. Davon ausgehend, dass das Gräberfeld gemeinsam von zwei Hofgemeinschaften genutzt worden ist, die nebenbei bemerkt beide einer lokalen sozialen Führungsschicht angehört haben, lautet die zentrale Fragestellung der Untersuchung: Wo befanden sich die beiden Hofstellen dieser Siedler aus der jüngeren Römischen Kaiserzeit?
Die umliegenden, landwirtschaftlich genutzten Flächen werden nach Rücksprache mit den Eigentümern und der Denkmalbehörde systematisch nach Spuren einer Nutzung im Kontext mit dem Gräberfeld untersucht. Das erhoffte Fundspektrum dieser Flächen soll Rückschlüsse auf die Besiedlung und Nutzung der Flächen in der Ur- und Frühgeschichte – mit Hauptaugenmerk auf die jüngere Römische Kaiserzeit – ermöglichen. Aus den Ergebnissen der ersten Begehungen hat sich auch schon eine längerfristige Betreuung durch den Verein ergeben, so dass regelmäßig weitere Artefakte, die eine Datierung der Fundstelle ermöglichen, geborgen werden können.
Strenggenommen liegt die Fundstelle allerdings gar nicht in Costedt, sondern auf dem heutigen Gebiet von Holzhausen I, welches westlich an das zu untersuchende Gebiet grenzt. Diese zeitgenössischen Grenzen können zumindest nicht die Forschung vor Ort eingrenzen, denn nur durch den Blick über den Tellerrand werden Funde wie der hier vorliegende erst möglich.
„Wie die Münze nach Porta Westfalica und schließlich in den Boden gelangte, wird sicherlich nicht mehr zu ermitteln sein. Wahrscheinlich ist sie aber mit einer Siedlung in Verbindung zu bringen, die sich auf der Fundstelle befand und in der – geht man nach der aktuellen Fundlage – vom 2. bis 4. Jahrhundert Menschen lebten. Es ist ebenso denkbar, dass es sich um eine Grabbeigabe handelt, die singulär – will sagen unabhängig von den Siedlungsfunden bzw. nicht im Kontext – mit diesen steht“, interpretiert Daniel Bake, Geschäftsführer der GeFBdML e.V. und Grabungstechniker, die Funde vorläufig.
Die Goldmünze wird turnusmäßig der LWL-Archäologie für Westfalen als zuständigem Fachamt gemeldet, übergeben und dort sicherlich weiter untersucht werden.
„Es gilt jetzt, die Einschätzung der Mitarbeitenden der LWL-Archäologie für Westfalen abzuwarten, die sicherlich den wissenschaftlichen Wert des Geldstücks beurteilen werden, denn der monetäre Wert, auch wenn er sicherlich im vierstelligen Bereich liegt, interessiert unseren Verein und uns als Forschende wenig“, erläutert Bake. Die wissenschaftliche Bedeutung ist nun auch ausschlaggebend dafür, was mit der Münze weiter geschieht, ob sie Landeseigentum wird oder nicht. „Natürlich würde der Verein diesen für Porta Westfalica sehr bedeutsamen Fund gerne den Menschen vor Ort präsentieren, vorausgesetzt, dass er nicht aufgrund seiner wissenschaftlichen Bedeutung per Gesetz zum Landeseigentum wird oder man unser Ansinnen zumindest von Seiten der LWL-Archäologie für Westfalen aktiv unterstützt“, so Bake.
Der zeitgenössische Wert der Goldmünze in der Römischen Kaiserzeit war exorbitant, denn die Kaufkraft eines spätantiken Solidus war sehr hoch. Im 5. und 6. Jahrhundert betrug der Jahressold eines römischen Soldaten vergleichsweise vier bis fünf Solidi (Plur. für Solidus).
Unter den weiteren Funden der Begehungen befindet sich – neben typischer Keramikscherben gleicher Zeitstellung – unter anderem ein Denar mit dem Bildnis des Lucius Aurelius Verus, der gemeinsam mit Mark Aurel von 161 bis zu seinem Tod 169 römischer Kaiser war. Durch die Begehungen ist ebenfalls eine römische Bronzemünze, ein sogenanntes As, geborgen worden, welches Antoninus Pius (138 -161) zeigt, der passenderweise als Titus Aelius Hadrianus Antoninus Augustus Pius bis zu seinem Tod 161 vor Aurel und Verus Kaiser des Römischen Reichs und zugleich Adoptivvater von Aurelius Verus war. Beide Denare weisen moderne Defekte – also Ausbrüche – auf, die vermutlich durch den Pflug entstanden sind. Der Sesterz ist im Vergleich zu den Silbermünzen oder dem Solidus, mit einem Gewicht von 18,62 Gramm, ein echtes grün patiniertes Schwergewicht.
Ebenfalls grün patiniert sind weitere Funde der Begehungen. Unter anderem befinden sich darunter zwei Beschläge aus Bronze, die sich anhand der Machart auch gut in das Fundspektrum einfügen. Sie sind aber vermutlich aus regionaler (Rhein-Weser-germanischer) Fertigung. Etliche gefundene Schmelzreste lassen überdies die Vermutung zu, dass sich vor Ort auch eine Art kleine Schmiede befand. Deutliche Spuren von Hitzeeinwirkung zeigt auch der zweite, bisher nicht identifizierte, Denar. Die Körnung der Oberfläche der Silbermünze ist ein typisches Merkmal dafür. Über die Ursache kann nur spekuliert werden, allerdings kommt am ehesten ein Schadfeuer infrage.
So besonders die Entdeckung römischer Münzen im Mühlenkreis erscheint, so werden römische Münzen des 2. Jahrhunderts auch im Kreis Minden-Lübbecke häufig gefunden. Die Denare, die nach der Münzreform durch Kaiser Neros (54-68) wieder verstärkt geprägt wurden, bilden dabei das häufigste Nominal und passenderweise stehen die Denare des Antoninus Pius an der Spitze. Römische Goldmünzenfunde hingegen sind eine Seltenheit. Zwei weitere römische Goldmünzen wurden 1950 etwa 150 Meter entfernt vom Römerlager in Barkhausen entdeckt. Es handelt sich dabei um einen Aureus des Augustus (31-29 v. Chr.) aus einer östlichen (kleinasiatischen) Münzstätte und um einen Solidus des Honorius (395-423 n. Chr.) aus der Münzstätte Mailand.
Die ersten Ergebnisse und Funde des Forschungsprojekts zur Ur- und Frühgeschichte um Costedt sollen voraussichtlich im kommenden Jahr Interessierten in Zusammenarbeit mit der Stadt Porta Westfalica, der Sparkasse Bad Oeynhausen-Porta Westfalica und dem Ortsheimatpfleger Ulrich Dörjes in Costedt vorgestellt werden. Erst im August 2021 hat der Verein mit dem Film „Der Urnenraub von Costedt“, welcher ebenfalls im Zuge des „Projekts Costedt“ realisiert werden konnte, einen bisher einmaligen Beitrag zur Aufklärung eines archäologischen Kriminalfalls veröffentlicht.
An dieser Stelle wollen wir allen Beteiligten des Forschungsprojekts, den Grundstückseigentümern und Pächtern, dem Ortsheimatpfleger Ulrich Dörjes und der Sparkasse Bad Oeynhausen-Porta Westfalica danken!