Minden-Lübbecke. Der Himmel ist grau, der Wind pfeift und es nieselt – dennoch führte die Gesellschaft zur Förderung der Bodendenkmalpflege im Kreis Minden-Lübbecke e.V. am 16. November 2025 eine Prospektion sowie eine Schulung zur Befunddokumentation in Petershagen-Neuenknick auf dem Lusebrink und in Minden-Dankersen auf der neolithischen Fundstelle am Hasenkamp durch.
Die Prospektion ist die älteste und zugleich eine wenig aufwendige archäologische Methode zur Erkundung. Dabei wird eine Fläche ohne technische Hilfsmittel systematisch begangen, während ausschließlich mit geschultem Auge nach Artefakten auf der Oberfläche gesucht wird. Diese Methode ermöglicht eine erste, zerstörungsfreie Untersuchung von Fundplätzen.
Seit 1912 ist der Lusebrink, mit 79,2 m die höchste Erhebung im Stadtgebiet von Petershagen und vor etwa 250.000 Jahren durch die Gletscher der „Saale-Kaltzeit“ geformt, als archäologische Fundstelle bekannt. Nach bisheriger Fundlage errichteten hier im Spätpaläolithikum, vor rund 12.000 Jahren, Rentierjäger ihre Sommerlager aus Rundzelten in einer von Baumgruppen durchsetzen endeiszeitlichen Tundra. Die Menschen der Ahrensburger Kultur hinterließen in Neuenknick diagnostische Funde, die eine Datierung und wissenschaftliche Einordnung ermöglichen. Die Fundstelle wurde zudem mehrperiodisch genutzt.
Benannt ist die Ahrensburger Kultur nach einer vom Prähistoriker Alfred Rust bei Ahrensburg ausgegrabenen Siedlung im Stellmoor bei Hamburg. Dort fand man charakteristische Steingeräte wie Stielspitzen und Mikrolithen sowie Kratzer, Stichel und retuschierte Klingen – typisch für die spezialisierten Rentierjäger dieser Kultur.
Vom Lusebrink aus ging es für die Teilnehmenden zur zweiten Fundstelle in Dankersen. Am Hasenkamp befindet sich das Bodendenkmal einer linearbandkeramischen Siedlung aus der Zeit um 5.000 v. Chr., entdeckt 1989 durch den damaligen Bodendenkmalpfleger der Stadt Minden, Rolf Plöger. In der Eintragung der Denkmalbehörde der Stadt Minden heißt es:
„Der Siedlungsplatz der Linienbandkeramik-Kultur vom Hasenkamp in Minden-Dankersen ist nicht nur einer der in Ostwestfalen seltenen Wohnplätze der frühesten Bauern und Viehzüchter aus der Zeit um 5000 v. Chr., sondern zugleich der nördlichste in Nordrhein-Westfalen. (…) Unter Flur sind die Siedlungsspuren erhalten, die die einzigen Möglichkeiten darstellen, weitere wissenschaftliche Aufschlüsse über diesen frühen Abschnitt der Menschengeschichte zu gewinnen.“
Mit der Neolithischen Revolution (ca. 5600–5500 v. Chr.) erreichte die Linienbandkeramische Kultur (LBK) Ostwestfalen. Als älteste bäuerliche Kultur des europäischen Frühneolithikums markiert sie den Übergang von mobilen Jäger- und Sammlergruppen zu sesshaften Dorfgemeinschaften mit Ackerbau und Viehzucht. Die LBK brachte grundlegende Neuerungen wie Hausbau, Landwirtschaft, Tierhaltung, Keramikproduktion und Brunnenbau mit sich und leitete damit einen tiefgreifenden sozialen und kulturellen Wandel ein, dessen Auswirkungen bis heute spürbar sind. Ihren Namen erhielt sie von der charakteristischen bandförmigen Verzierung ihrer keramischen Gefäße.
Da die LBK auf Ackerbau und Viehzucht basierte, wurden Siedlungen bevorzugt dort angelegt, wo Wasser leicht zugänglich war und Boden- sowie Landschaftsverhältnisse günstige Voraussetzungen boten – eine Situation, wie sie auch am Hasenkamp vorliegt. Bevorzugte Siedlungsräume waren Niederungen größerer Flüsse wie der Weser oder entsprechende Randbereiche, etwa der Rand der Hochterrasse oder das obere Drittel einer zum Fluss abfallenden Hanglage. Die charakteristische Hausform der LBK ist das Langhaus, ein etwa 12 bis 40 Meter langes und rund sieben Meter breites Wohn-Stall-Haus.
Während der Maßnahme in Dankersen konnten unter anderem zwei neolithische Beilklingen (Finder: Daniel Bake) sowie eine Keramikscherbe mit für die Linienbandkeramik typischem Dekor (Finderin: Jessica Wehmeyer) geborgen werden. Die Funde werden nun dokumentiert und anschließend an das zuständige Fachamt für Bodendenkmalpflege übergeben.
Bei den beiden Beilklingen handelt es sich um geschliffene Felsgesteinbeile, sogenannte Dechsel. Diese meist quer geschäfteten Werkzeuge dienten der Holzbearbeitung. Gefertigt wurden beide Dechsel aus Amphibolit – einem Gestein, das im Kreis Minden-Lübbecke nicht vorkommt. Dies macht die Funde besonders bedeutend, denn Amphibolit der bandkeramischen Zeit wurde lange dem Fichtelgebirge oder dem Böhmerwald zugeschrieben, ohne dass Abbaustellen bekannt waren. Weitere Vorkommen liegen im sächsischen Erzgebirge und im Schwarzwald. Erst 2001 wurden im böhmischen Isergebirge bei Jistebsko Spuren jungsteinzeitlichen Amphibolitabbaus entdeckt. Das Rohmaterial – und damit die Beile – muss also über Handelskontakte in den Raum Minden gelangt sein.
Wie lange der Fundplatz am Hasenkamp noch für Feldbegehungen zur Verfügung steht, ist weiterhin unklar. Das Unternehmen Ertl Systemlogistik plant nordöstlich der heutigen Hauptbebauung des Mindener Stadtteils Dankersen eine Erweiterung des Betriebsgeländes (wir berichteten im April 2021). Seinerzeit war eine Fertigstellung für Herbst/Winter 2022 vorgesehen; bis heute ist die Erweiterung jedoch erfreulicherweise ausgeblieben.
Wer Interesse an der Mitarbeit an solchen Projekten hat, ist dazu aufgerufen, sich dem Verein anzuschließen.
Weitere Informationen unter:
www.gefbdml.de/mitglied-werden
An dieser Stelle danken wir allen am Projekt Beteiligten und den Grundstückseigentümern mit ihren Pächtern.
- Fundbestimmung. Foto: Marc Redeker/GeFBdML e.V.
- Foto: Marc Redeker/GeFBdML e.V.
- Foto: Daniel Bake/GeFBdML e.V.
- Foto: Marc Redeker/GeFBdML e.V.
- Daniel Bake erläutert die wichtigsten Schritte der Befunddokumentation an einer rezenten Feuerstelle. Foto: Marc Redeker/GeFBdML e.V.
- Eine glückliche Finderrin. Jessica Wehmeyer entdeckte eine neolithische Keramikscherbe. Foto: Marc Redeker/GeFBdML e.V.
- Foto: Marc Redeker/GeFBdML e.V.
- Eine der beiden neolithischen Dechseln in situ. Foto: Daniel Bake/GeFBdML e.V.
- Funde von der Fundstelle Hasenkamp. Foto & Bearbeitung: Daniel Bake/GeFBdML e.V.
- Das Team. Foto: Daniel Bake/GeFBdML e.V.
Text: Daniel Bake, Organisatorischer Leiter der Maßnahmen und Gudrun Görler für das Referat für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der GeFBdML e.V.
Fotos: siehe Bildbeschreibungen
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